Lakritz – Zwischen Leidenschaft, Abneigung und kultureller Identität
Es gibt kaum eine Süßigkeit, die die Meinung der Menschen so klar spaltet wie Lakritz. Kaum jemand reagiert neutral: Entweder wird es heiß geliebt oder entschieden abgelehnt. Dieses außergewöhnliche Aromaprofil – herb, salzig, süß, manchmal sogar scharf – macht es zu einem Produkt, das weit mehr über Kultur, Geschmack und Identität verrät, als es auf den ersten Blick scheint.
Doch warum ist dieser schwarze Klassiker zu einem Symbol für extreme Vorlieben geworden? Und wieso hat es in manchen Regionen einen Kultstatus, während es anderswo kaum Beachtung findet?
1. Ein Geschmack, der Grenzen zieht
Viele Menschen erinnern sich an ihre erste Begegnung mit Lakritz als ein prägendes Erlebnis. Dieser Aromenmix ist nicht so schnell zu vergessen: Während Schokolade oder Fruchtgummi meist universell akzeptiert sind, ist die Süßigkeit ein Geschmack, der die Geschmacksnerven herausfordert.
Geschmack ist kulturell geprägt – und genau hier beginnt die Faszination. Was in Nordeuropa seit Jahrhunderten ein alltäglicher Genuss ist, wirkt für Menschen aus anderen Regionen oft irritierend. Ihr Verhältnis zu dieser Süßigkeit ist daher nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich verankert. Der Unterschied zeigt, wie sehr kulinarische Traditionen Identität formen.
2. Lakritz als kulturelles Statement
Für viele Länder – besonders in Skandinavien, den Niederlanden oder Teilen Norddeutschlands – ist die Süßigkeit nicht einfach eine Süßigkeit, sondern Teil einer regionalen Identität. Salmiak Varianten, salzige Sorten oder Liköre gehören dort zum kulturellen Alltag. Wer dort lebt, verbindet den Geschmack oft mit Kindheit, Tradition und vertrauten Ritualen.
In anderen Ländern wird die Süßigkeit dagegen fast ausschließlich in Apotheken gefunden, weil es historisch als Heilmittel genutzt wurde. Es galt als beruhigend für den Rachen und unterstützend für die Verdauung. Auch heute empfinden viele Menschen die Süßigkeit als „medizinisch“ – im positiven wie im negativen Sinne.
Dass ein einziges Produkt so verschiedene Rollen einnehmen kann, zeigt, wie tief Essen in kulturelle Strukturen eingebettet ist.
3. Die Psychologie des besonderen Geschmacks
Warum lieben manche Menschen es so sehr, während andere es kaum ertragen?
Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass Geschmacksvorlieben durch mehrere Faktoren beeinflusst werden:
- Genetik: Manche Menschen reagieren stärker auf Bitterstoffe.
- Prägung: Wer früh in Kontakt kommt, akzeptiert es eher.
- Erwartungshaltung: Der schwarze Farbton beeinflusst die Wahrnehmung.
- Kontrastreize: Salz und Süße in Kombination sind ungewöhnlich.
Der Geschmack wirkt überraschend komplex – und genau darin liegt seine Besonderheit. Lakritz fordert Ihre Sinne heraus und widerspricht vielen süßen Erwartungen. Es mag irritieren, aber gerade diese Irritation macht es eindrucksvoll.
4. Zwischen Genuss und Verantwortung
Viele Konsumenten wissen nicht, dass Lakritz eine pflanzliche Basis hat: die Süßholzwurzel. Diese wird traditionell seit Jahrtausenden genutzt – in Asien, Europa und dem Nahen Osten. Doch der hohe Glycyrrhizin-Gehalt kann bei übermäßigem Verzehr Auswirkungen auf den Blutdruck haben.
Das bedeutet nicht, dass Sie Lakritz meiden müssten – aber es zeigt, dass selbst alltägliche Lebensmittel eine Geschichte und mögliche Konsequenzen haben, die selten bewusst wahrgenommen werden. Ein reflektierter Blick auf unsere Vorlieben kann helfen, Konsum bewusster einzuordnen.
5. Lakritz als Trendprodukt in einer polarisierenden Welt
Interessanterweise erlebt Lakritz in den letzten Jahren ein Comeback. Gourmet-Küchen nutzen es für Desserts, Restaurants setzen es als Gewürz ein, und Designer-Marken verkaufen exklusive Varianten mit Chili, Meersalz oder dunkler Schokolade.
Warum ausgerechnet jetzt?
Weil Konsumenten zunehmend nach besonderen, erwachsenen Aromen suchen. Lakritz wird zu einem Statement: Wer es mag, zeigt Geschmacksmut. Wer es ablehnt, markiert seine Grenzen.
Dieser Trend sagt mehr über die Gesellschaft als über die Süßigkeit selbst:
- Menschen suchen nach neuen Reizen.
- Sie wollen sich geschmacklich abgrenzen.
- Polarisierende Lebensmittel ziehen Aufmerksamkeit an.
Lakritz wird dadurch zu einem Produkt, das nicht nur schmeckt, sondern diskutiert wird.
6. Ein Spiegel unserer Geschmackswelt
Wenn Sie das nächste Mal probieren oder ablehnen, denken Sie daran: Es geht nicht nur um eine Süßigkeit. Es geht um Kultur, Erinnerung, Identität und Mut zur Andersartigkeit.
Vielleicht ist es deshalb so interessant – nicht trotz, sondern wegen seiner Polarität.
Fazit
Lakritz polarisiert, verbindet, irritiert und inspiriert. Es ist mehr als nur eine Süßigkeit – es ist ein kulturelles Phänomen. Die extreme Bandbreite an Reaktionen zeigt, wie emotional Geschmack sein kann und wie stark Traditionen unser Empfinden prägen.
Ob Sie es lieben oder verachten, spielt am Ende keine Rolle. Wichtig ist, dass dieser besondere Geschmack etwas auslöst – und genau das macht ihn zu einem bemerkenswerten Teil unserer kulinarischen Kultur.



